Der
Alkohol im Felde
Unter
alkoholischen Getränken fasst man jene Flüssigkeiten zusammen,
die das Gärungsprodukt des Zuckers, den Alkohol, einen im reinen
Zustande sehr giftig wirkenden Stoff, enthalten.
Das in Deutschland am meisten verbreitete derartige Getränk ist das
Bier, das ungefähr 3-6 % Alkohol enthält. Erheblich grössere
Mengen sind im Wein vorhanden, sie betragen etwa 10-20 %, die grösste
im Branntwein, nämlich 25 bis 50 %. Gerade in Frankreich werden aber
vielfach noch stärkere Spirituosen mit 80-90 % in den Handel gebracht,
deren Genuss naturgemäss eine viel grössere Giftwirkung folgen
muss.
Sind nun die alkoholischen Getränke unter allen Umständen zu
verwerfen, da man ihnen doch vielfach einen günstigen Einfluss nachrühmt,
besonders bei Leuten, die schwere Arbeit zu verrichten haben und den Einflüssen
der Witterung schonungslos ausgesetzt sind? Sollte der Alkohol nicht gerade
unseren Soldaten im Schützengraben eine besonders wertvolle Beigabe
sein, indem ihm eine ernährende, eine anregende und stärkende,
vor allem auch eine wärmende Wirkung zugeschrieben wird?
Gewiss kann nicht in Abrede gestellt werden, dass Alkohol imstande ist,
in beschränktem Masse einen Teil der erforderlichen Nährstoffe
zu ersetzen. Für eine Ernährung kann er aber nie und nimmer
in Frage kommen, denn der Alkoholiker lähmt durch reichlichen Schnapsgenuss
nur seine Magennerven und beseitigt dadurch das Hungergefühl. Die
sättigende Wirkung des Alkohols wird also unter schwerer Schädigung
des Körpers nur vorgetäuscht.
Auch mit den "anregenden" Wirkungen des Alkohols hat es seine
Bedenken! Nach grösseren Anstrengungen körperlicher oder geistiger
Art kann bei vielen Personen eine geringe Menge von Alkohol, ein Glas
blumigen Weines, recht günstigen Einfluss auszuüben imstande
sein. Wird aber die zuträgliche Menge auch nur um ein Geringes überschritten,
so treten sehr schnell die gegenteiligen Folgen in Erscheinung.
Am grössten sind aber die Trugschlüsse, mit denen man die erwärmende
Kraft des Alkohols erklären wollte. Wenn das äussere Kältegefühl
auch tatsächlich durch Genuss stärkerer Spirituosen beseitigt
werden kann, so beruht das darauf, dass eine durch Lähmung bedingte
Erweiterung der Blutgefässe der äusseren Haut eintritt. Die
Haut wird also in erhöhtem Masse mit dem körperwarmen Blute
durchströmt und das Gefühl einer Erwärmung erzeugt. Die
unvermeidbare Folge ist aber, dass grosse Blutmengen in der Haut abgekühlt
und somit dem Innern des Körpers grosse Wärmemengen entzogen
werden. So ist es hinreichend bekannt, dass bei Kälte der Schnapsgenuss
die Gefahr des Erfrierens ungemein begünstigt.
Aus vorstehenden Ausführungen geht also hervor, dass der Alkohol
als Nahrungsmittel ausscheidet und seine anregende wie seine wärmende
Wirkung von zweifelhaftem Werte ist.
Geringe Mengen von Alkohol können allerdings gelegentlich günstig
wirken, besonders Rotwein bei Darmkatarrhen oder zum Schütze gegen
die Unbilden der Witterung, zur Anregung. Aber es muss immer darauf hingewiesen
werden, dass solche günstigen Wirkungen nur an die Aufnahme kleiner
Gaben gebunden sind. Sobald die bei vielen Leuten recht niedrig liegende
Grenze des Zuträglichen überschritten wird, setzen die schädigenden
Wirkungen ein, die gerade im Felde, wo an Körper und Geist eines
jeden einzelnen die allergrössten Anforderungen gestellt werden müssen,
die schwersten Folgen nach sich ziehen können. So ist bei strafbaren
Handlungen und geschlechtlichen Erkrankungen die tiefere Ursache in den
meisten Fällen der leichtsinnige Genuss des Alkohols.
Mit Rücksicht auf diese Schädigungen ist es durchaus berechtigt,
wenn mit allen Mitteln auf eine Einschränkung des Genusses geistiger
Getränke hingearbeitet wird. Wenn dennoch kein völliges Verbot
erlassen worden ist, Wein und andere Spirituosen sogar in beschränktem
Masse ausgegeben werden, so trägt dieses doch durchaus den Ergebnissen
wissenschaftlicher Forschung und praktischer Erfahrung Rechnung.
Aber es ist eine Ehrenpflicht eines jeden deutschen Soldaten, sich des
Vertrauens würdig zu zeigen und dafür zu sorgen, dass weder
er selbst noch seine Kameraden sich einem Alkoholgenuss hingeben, der
die treue Erfüllung seiner hohen Aufgaben beeinträchtigen muss.
Stabsarzt
Dr. Hesse. |