Die "Liller Kriegszeitung" 1914/15

 

Brieftauben

Wenn in einem Orte Brieftauben gefunden werden, so ist seitens der Truppenteile nach folgendem zu verfahren:
1. Kennzeichen der Brieftauben.
Der Kenner erkennt Brieftauben an ihrem allgemeinen Körperbau, der Laie daran, dass sie Fussringe tragen. In diese ist Vereinsnummer, Besitzernummer und der Name des Ortes, in dem sich der Heimatschlag befindet, eingeätzt.
2. Einfangen der Brieftauben.
Sollen Tauben eingefangen werden, so begibt sich nur ein Mann auf den Schlag, sucht durch Pfeifen oder Locken die Tierchen zu beruhigen, treibt dieselben möglichst in eine Ecke des Schlages und fasst mit der rechten Hand von oben auf die Taube, welche er fangen will. Dabei müssen die vier Finger unter die Taube gebracht werden, so dass sich die beiden Füsschen zwischen Zeige- und Mittelfinger befinden. Der Daumen liegt auf der Schwanzwurzel. Durch unvorsichtiges und rohes Zugreifen werden die Tauben beschädigt, flügellahm usw.
3. Bestimmen der Brieftauben.
Man sieht nun bei der eingefangenen Taube die Aufschrift des Fussringes nach und trägt dieselbe in eine mit folgenden Abschnitten versehene Liste ein:
Bei Brieftauben ohne Ringe wird die Anzahl angegeben.
4. Meldung über den Brieftaubenfund.
Der nächsten vorgesetzten Behörde bis einschl. Generalkommando ist unter Beifügung der Liste von dem Funde sofort Meldung zu machen.
5. Bewachung und Pflege der Tauben.
Bis zu dem Zeitpunkt, an welchem von den vorgesetzten Behörden über die Tauben weiter verfügt wird, sind folgende Massnahmen zu treffen:
Der Ausflug des Schlages ist so zu verschliessen, dass die Tauben nicht wegfliegen können. Ausserdem ist ein Posten an den Schlag zu stellen, um ihn vor Unberufenen zu bewachen. Der Schlag muss trocken gehalten, jede Woche mindestens einmal gereinigt und die Bodenfläche mit reinem trockenem Sand bestreut werden. Die Fütterung besteht zur Hälfte aus Mais, zur Hälfte aus Wicken. Es empfiehlt sich, ausserdem noch etwas Weizen zu geben. Die Fütterung muss regelmässig morgens, mittags und abends stattfinden. Frisches Trinkwasser muss den Tauben immer zugänglich sein.
6. Beförderung von Brieftauben.
Sollen Tauben verschickt werden, so schliesst man sie in die sogenannten grossen Reisekörbe, welche sich fast immer bei den Schlägen befinden. Grösse gewöhnlich 1,80 x 0,80 qm. In einem solchen Korb haben 20-30 Brieftauben Platz. Befindet sich in dem Korb eine Zwischenwand, so sind in der einen Hälfte die Tauber und in der anderen die Tauben unterzubringen, um Zänkereien zu vermeiden. Den Tauben muss auf die Reise Futter und Trinkwasser mitgegeben werden. Gefässe dazu befinden sich in den Vereinsräumen, wenn dieselben nicht schon an den Körben angebracht sind. Es empfiehlt sich, die Körbe gut zu verschliessen, u. U. auch zu plombieren, um Diebstahl zu vermeiden.
7. Wert der Brieftauben.
Die in meiner Gegend befindlichen Brieftauben sind von besonders guter Rasse und sehr leistungsfähig. Das Paar hat einen Wert von 50 bis 100 Mk. Sie dürfen deshalb keinesfalls getötet werden. 

M., Hauptmann.

 

Die "Liller Kriegszeitung" 1914-1917

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