Die "Liller Kriegszeitung" 1914/15

 

Der englische Handelskrieg

Seit etwa 30 Jahren hat England mit allen Mitteln der Lüge und Verleumdung, der politischen Umtriebe und Drohungen den deutschen Handel und die deutsche Industrie bekämpft. Seit etwa 15 Jahren versuchte es durch eine masslose Rüstungshetze, der deutschen Ausfuhrindustrie die Arbeitskräfte und die Geldmittel zu entziehen und damit ihren Fortschritt aufzuhalten und durch Gründung von öffentlichen und geheimen Gesellschaften den deutschen Handel und den deutschen Einfluss in allen Ländern der Erde zurückzudrängen.
Durch keins dieser Mittel gelang es, den Siegeslauf der deutschen Arbeit und des deutschen Gedankens in der Welt aufzuhalten. Darum war man etwa seit dem Jahre 1908 in England entschlossen ("Times", 8. Juli 1908, Statecraft and Strategy, von Charles A Court Repington) durch einen Koalitionskrieg das Ziel der wirtschaftlichen Vernichtung Deutschlands zu erreichen.
Sollten die Waffen entscheiden, dann musste der Krieg überraschend für uns kommen und von kurzer Dauer sein. Es musste England und seinen Verbündeten gelingen, uns gleich zu Anfang, wie man drohte, über Nacht, die Kriegsflotte zu vernichten, in gewaltigem siegreichen Ansturm unsere Heere zu zerschmettern, die Kohlen- und Eisenreviere in Lothringen, in Rheinland-Westfalen und in Schlesien zu besetzen, und den Krieg in das Innere Deutschlands zu tragen. Dann war Deutschland nach dem Verbrauch der im Frieden aufgespeicherten Kriegsvorräte vollständig und für immer verloren, dann und nur dann war es möglich, die deutsche Industrie und den sogenannten deutschen Militarismus zu vernichten, dann und nur dann hätte England durch das Blut der Franzosen, Russen und Belgier mit seinem Handelskrieg das Weltmonopol und die Weltherrschaft für unabsehbare Zeiten gewonnen.
Der Krieg wurde durch die von England, Frankreich und Russland gestützte Mordpolitik der Serben zu früh entfesselt. Das deutsche Volk Hess sich nicht überraschen. - Die deutschen Heere fielen in die Länder der Verbündeten ein und besetzten ihrerseits die Eisen- und Kohlenreviere Nordfrankreichs, Belgiens und Polens. Damit war die Friedens- und Kriegsindustrie unserer festländischen Gegner lahmgelegt, und England musste für sie eintreten; die deutsche Industrie aber war in den Stand gesetzt, verstärkt durch die Hilfsmittel der besetzten Gebiete, weit hinter der Kampfzone mit ihrer ganzen Kraft für den Krieg zu arbeiten, den inneren Markt zu befriedigen, und der deutsche Landmann konnte ruhig und unbedroht die Saat aussäen für ein weiteres Kriegsjahr, wenn es sein sollte.
Trotz des englischen Geredes von einer drei- oder zwanzigjährigen Kriegsdauer ist grade den Engländern die unerwartet lange Kriegsdauer ganz besonders unerwünscht. England hatte gehofft, diesen Krieg wie alle anderen seiner Geschichte mit dem Blute fremder Völker ausfechten und gewinnen zu können. Die unerwartet lange Dauer des Krieges zwingt England, mit Millionenheeren anzutreten und mit dem Blute von Hunderttausenden seiner Söhne einzustehen für die Räuberpolitik seiner Mächtigen; zwingt es, die Hälfte seiner Handelsflotte für den Krieg zu verwenden; zwingt es, den ungeheuren Heeresbedarf für sich und seine Verbündeten zum grössten Teil selbst zu erzeugen; zwingt es, wegen der Unsicherheit der Meere die eigene Ackerbaufläche unter Einstellung bedeutender Arbeitskräfte schleunigst zu erweitern, und zwingt es, Milliarden und aber Milliarden für seine und seiner Bundesgenossen Kriegskosten aufzuwenden. - Damit ist die englische Arbeits-, Transport- und Geldkraft um nahezu 50 Prozent geschwächt. England ist nicht einmal mehr imstande, seinen Friedenshandel aufrecht zu erhalten, geschweige denn den deutschen zu vernichten oder an sich zu reissen.
Inzwischen zeitigt die lange Kriegsdauer immer neue und immer grössere Gefahren für England. Wir führen von unseren militär- und wirtschaftsstrategisch so vorzüglich gelegenen Kolonien in Afrika einen erfolgreichen Kleinkrieg, haben die Buren zur Freiheit aufgerufen und greifen die Engländer mit den uns verbündeten Türken in Ägypten und Indien an. Ganz Asien und ganz Afrika befindet sich im Kriegszustand. England steht in Gefahr, Südafrika, Ägypten, seine sonstigen afrikanischen Besitzungen und Indien zu verlieren. Es muss ungeheure Kräfte aufwenden, um diese Gebiete zu halten und die angrenzenden Seehandelsstrassen zu sichern. Der Handel aber in allen diesen Gebieten ist gelähmt; er ist für die bis jetzt noch neutralen Länder in Europa, Asien und Amerika ausserordenlich geschwächt und steht für die kriegführenden Festlandsmächte vollständig still. Frankreich und Russland liegen am Boden und müssen sich den grössten Teil ihrer Kriegsvorräte von England erbetteln. England blutet an vielen Stellen, aber an Russland und Frankreich wird es verbluten.
Wir hoffen bestimmt auf den Erfolg unserer Waffen in Asien und Afrika, das Wichtigste aber bleibt doch in Europa zu tun. Wir werden siegreich durchhalten wie bisher, halten wir auch noch dazu daheim unsere Landwirtschaft auf der höchsten Höhe ihrer Vollkommenheit, lassen wir die Räder unserer Fabriken und Werke nicht rosten noch rasten, halten wir die Eisenschätze fest, die wir in der Hand haben, dann hat England diesen Krieg, den es mit allen Mitteln seiner heimtückischen Staatskunst erstrebt hat, endgültig verloren.
Wir aber und unsere Kindeskinder werden uns dann auf unserer deutschen Erde, mit dem deutschen Eisen, durch die deutsche Arbeit einen wahrhaften und wehrhaften Frieden schaffen, der wert ist der Opfer, die dieser Krieg von uns gefordert hat.

P. Walter.

 

Die "Liller Kriegszeitung" 1914-1917

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