Indien
und seine Soldaten
In
seinem ersten Korpsbefehl an die indischen Soldaten in Frankreich hat
der englische Brigadegeneral Wilcox an die grossen geschichtlichen Erinnerungen
der Inder gemahnt. - Ihr steht zum ersten Male, sagt er, einem Feind gegenüber,
der auf eine alte Geschichte zurückblickt; aber, fährt er fort,
wie viel älter ist eure Geschichte.
Es ist richtig, die indische Geschichte ist älter als die deutsche
und es ist eine wirkliche und grosse Kultur, die von den arischen Indern
im Laufe dieser uralten Geschichte aufgebaut ist. Aber diese Kultur ist
rein literarisch, philosophisch, von des Gedankens Blässe angekränkelt,
eine Kultur ohne Blut und Eisen, eine Kultur, die seit Jahrtausenden in
den Zaubergarten der Mythos und des Märchens gebannt ist. In diesem
Zaubergarten sind im Laufe der Geschichte nur grosse verträumte Kinder,
aber keine handelnden Männer gewachsen. - Es zeugt daher von einer nur sehr oberflächlichen Kenntnis indischer Verhältnisse,
der indischen Soldaten und der indischen Geschichte, wenn der General
Wilcox zum Schluss seines Korpsbefehls die seinem Kommando unterstellten
grossen Kinder auffordert, auf Frankreichs Boden Geschichte zu machen.
Diese indischen Soldaten, gezwungene und niedergehaltene Kulis der englischen
Fremdherrschaft, werden im Kampfe gegen Deutschland keine Geschichte machen.
Die phantasiereiche indische Weltanschauung, die uralte, religiös
geheiligte Kastengliederung und die grosse Zersplitterung Indiens in hunderte
von Fürstentümer hat seit Anfang der uns bekannten Geschichte
jedem Eroberer die Unterjochung des Landes leicht gemacht. So überwältigte
Alexander mit einer kleinen Schar streitbarer Männer ganz Nordindien.
Andere Eroberer folgten, und mit dem Jahre 1000 beginnen die Einfälle
der Heere des Islams. -
Ein tapferer Mann mit einem guten Schwert und einem guten Pferd kann in
Indien ein Kaiserreich gründen, so erzählten sich damals die
kriegsgewohnten persischen Edelleute an den Wachtfeuern der Feldlager
und in Bagdad. Khoressan und Damaskus zauberten ihnen die Märchen
aus 1000 und 1 Nacht-Träume von unermesslicher Beute an Gold und
Silber, kostbare Perlen und Edelsteinen, rauschender Seide und an Frauen
schön wie Paradiestöchter vor die Seele. Also zog der in langen
Jahrhunderten friedensseliger Arbeit gewonnene Reichtum die fremden Eroberer
an, weil der Schwertsinn fehlte, ihn zu sichern und zu halten. Der Islam
brachte den grössten Teil Indiens in seine Gewalt. Glänzende
Reiche entstanden. In der Eroberung Indiens feierte der Islam seinen höchsten
Triumph - aber - an der Eroberung Indiens brach sich seine staatenbildende
Kraft. Zugleich aber wurde er in der indischen Geschichte ein weiteres
Element der Schwäche. Die indische Kultur zerfällt von nun an
in Brahmanismus und Islam.
Es wurde den europäischen Kolonialmächten im Ausgang des Mittelalters
leicht, Niederlassungen in Indien zu gründen. Von den Portugiesen,
Holländern, Franzosen und Engländern gelang es den letzteren
die Oberhand zu gewinnen. Sie schürten und benutzten die Rivalitäten
auf dem europäischen Festlande, spielten die indischen Fürstentümer,
Kasten und Religionen gegeneinander aus und brachten so mit einem verhältnismässig
geringen Aufwand eigener Kräfte ihr indisches Kolonialreich zusammen.
Nur einmal haben die Inder zu einem grossen Schlage gegen die Engländer
ausgeholt. Als England von 1853-56 den Krimkrieg gegen Russland führte,
entstand eine tiefgehende Gärung. Im Jahre 1857 brach der Aufstand
los. Es war zu spät! Englands Hände waren wieder frei, Russland
hatte kein Interesse mehr, nach dem eben vollzogenen Friedensschluss den
Aufstand zu stützen, und die eingeborenen indischen Truppen machten
nicht geschlossen mit. Der Aufstand wurde grausam niedergeschlagen und
die Führer vor die Mündungen der Kanonen gebunden und durch
Kartätschen angesichts einer zitternden und bebenden Volksmenge hingerichtet.
Seitdem herrscht die Friedhofsstille des britannischen Friedens über
Indien und unter der Flagge der englischen Freiheit wird das Land kommerziell
ausgebeutet, planmässig industriell niedergehalten und die Bevölkerung
von 320 Millionen in politischer Sklaverei gehalten. - Erst wenn sie ihr
eigenes Land von der Fremdherrschaft befreit haben, können sie mitreden.
Dazu aber hilft keine Philosophie und Literatur, dazu gibt es nur ein
Mittel: "Blut und Eisen".
Walter. |