Die "Liller Kriegszeitung" 1914/15

 

Mut!

Wir wissen jetzt, wer die Schuld an diesem männermordenden Kriege trägt, der im Osten und Westen an der Grenze unseres Vaterlandes die Städte und Dörfer auflodern liess, der erbarmungslos hundertjährige Kulturwerke und Reichtum zerstört, der, wenn er zu unsern Ungunsten entschieden würde, Europa der russischen Barbarei, der englischen Erbarmungslosigkeit preisgäbe.
Eine schwere Zeit ist dadurch über unser Vaterland gekommen, - so äussert sich C. Hauptmann in einer geschichtlichen Darlegung: "Der grosse Weltkrieg: Das Werk Englands" - eine schwere Zeit, die nicht zu tragen wäre, wenn unser ganzes Volk nicht von der Gerechtigkeit unserer Sache überzeugt wäre. Durch slawische Unkultur möchte England die geistige Überlegenheit Deutschlands vernichten und in Mitteleuropa den Zustand der Barbarei einführen, den die Königs- und Kaisermorde in Belgrad und Petersburg so schauerlich kennzeichnen. Wider ihren Willen, aber durch Verträge gefesselt, muss die hochstehende französische Kultur jetzt Unrecht und Unkultur und Verbrechen unterstützen, sie hat es gewusst, sie hat es gewollt, das eherne Schicksal zwingt sie nun, einen Weg zu gehen, der zu ihrem Verderben führt.
Die französische Nation weiss dieses, sie sträubt sich, aber sie kann nicht mehr anders und mit dem Gefühl, dass sie der Zerschmetterung entgegengeht, trat sie zagend in den Kampf. Sie nahm den Kampf auf mit dem Gefühl, dass ihre Söhne von Führern geleitet werden, die unter sich selbst uneinig, einer einheitlichen Leitung die grössten Schwierigkeiten bereiten werden.
Sie nahm den Kampf auf, mit dem Bewusstsein, dass der französische Soldat gerade so wie im Jahre 1870 mangelhaft ausgerüstet und schlecht verpflegt war. Mit Zagen trat sie in den Kampf, mit gelähmtem Mut, mit erkünstelter Begeisterung, mit dem Vorgefühl der Niederlage und dem Wissen, dass sie eine schlechte und hoffnungslose Sache vertritt.
Aber sie nahm ihn auf in der Hoffnung auf die Hilfe Englands, obgleich sie aus hundert jähriger Erfahrung wissen konnte, dass England, wie immer so auch jetzt, ihr Vertrauen missbrauchen, ihre Hoffnung täuschen würde.
Anders bei uns. Niemals sind so viele Dinge zusammengetreten, wie jetzt, um unser Volk in gerechten Zorn, in lodernde Empörung über eine nie dagewesene Niedertracht, über unerhörte Unwahrhaftigkeit, über frivole Verachtung der höchsten menschlichen Güter zu versetzen.
Bereitwillig hat das deutsche Volk im vorletzten Jahre die schwere Rüstung, die schweren Lasten auf sich genommen, von ihrer Notwendigkeit überzeugt.
Niemand hätte geahnt, dass der Beweis dieser Notwendigkeit so rasch geliefert würde! Aber noch weniger hätte jemand geahnt, dass ein solcher Krieg hervorgerufen würde, dessen Ursachen: Recht oder Unrecht, Notwendigkeit oder frevler Übermut, so klar, so deutlich, jedem vor Augen stände.
Deshalb zogen Deutschlands Söhne mit so hohem Mute in den Kampf, bei ihnen besteht kein Zweifel darüber, ob der Kampf zu vermeiden gewesen wäre oder nicht.
Er ist Deutschland aufgezwungen worden; das sieht jeder, das weiss jeder, davon ist jeder überzeugt.
Und deshalb sahen wir die Jünglinge, die kaum das Alter der Wehrpflicht erreicht hatten, freiwillig sich melden in nie dagewesenem Andrang!
Und alles drängte sich heran, das war kein Zwang, das war alles nur freier Wille, das war Zorn über ein unerhört grosses Verbrechen, das an allen gesitteten Völkern von England mit der Hilfe einer halbbarbarischen Nation begangen werden soll.
Das ist Zorn wie in der grossen Völkerschlacht in den Catalaunischen Gefilden, wo das gesittete Europa die Hunnen zerschmetterte!
Und wenn wir sagen, dass wir unsere Gegner zerschmettern werden, so ist das nicht eitle Überhebung oder Grosssprecherei. Es ist ruhiges Wissen, es ist die Kenntnis, die wir von unserer Armee, ihren Führern und ihrem obersten Kriegsherrn besitzen. Und da alle und da jeder die Kenntnis davon besitzt, wäre es eine Abschwächung derselben, sie überhaupt hervorzuheben, denn diese Kenntnis ist gleichbedeutend mit Siegesgewissheit.
Und wie unser Kaiser uns die langen Friedensjahre geschenkt hat, so wissen wir auch jetzt, dass er bis zu dem letzten Augenblick die einzige Hoffnung des Friedens geblieben ist. Aber das Schicksal hat anders beschlossen, und wenn jeder von uns mutvoll seine Pflicht tut, und dieses Gelöbnis geben wir alle, werden auch wieder weitere segensreiche Jahre aus der gegenwärtigen blutigen Saat erspriessen, denn dem Mutigen gehört die Welt. Völker Europas, wahret eure heiligsten Güter!
Das walte Gott!

 

Die "Liller Kriegszeitung" 1914-1917

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