Die "Liller Kriegszeitung" 1914/15

 

Die 7. Kompagnie 169 bei Saarburg am 21. August 1914

Von einem Mitkämpfer

Endlich löste die warme Augustsonne die nasskalte Nacht nach dem Gefecht bei Vallerystal ab und man war froh, dass der Befehl zum Weitermarsch uns aus den Strassengräben herausholte, wo wir frierend, nur in unsere Mäntel gehüllt, ohne Stroh und Feuer, zusammengekauert gelegen hatten. Vorne das III., dahinter unser II. Bataillon, Unsere Offiziere waren fast die ganze Nacht auf der Strasse auf- und abgegangen, um warm zu bleiben. Der Gedanke "Vorwärts und ran an den Feind" belebte uns so, dass Müdigkeit und Hunger vergessen ward. Unser Vormarsch führte durch Dreibrunnen-Biberkirch auf Weiher zu. Plötzlich erschienen am Himmel nach scharfem Knall die bekannten vier weissgelben Wölkchen rechts von uns, und sehr bald wussten wir, dass der Feind in Weiher stand.
Also drauf ! "Das III. Bataillon links, das II. rechts des Weges Biberkirch-Weiher entwickeln." Ein schönes Gefecht begann, wie auf dem Übungsplatz mit Entwicklung in der Deckung, und schon bald hatten die anderen Kompagnien sich zum Sturm herangearbeitet, als in unserer rechten Flanke heftiges Artillerie- und Infanteriefeuer das Bataillon zwang, liegen zu bleiben.
Da gab unser vorbildlicher Major T. unserem Kompagniechef Hauptmann D. in aller Ruhe den Befehl "in der rechten Flanke vorzugehen und die Artillerie zu nehmen". Das war ein Sonderauftrag, und wir freuten uns alle darauf, wussten wir doch, dass unser Hauptmann bei aller Vorsicht sehr schneidig zu Werke ging.
"Auf ! Vorderste Gruppe rechts schwenken, mir nachfolgen !" So ging es dem Feind entgegen. Da! wieder 4 ohrenbetäubende Knalle über uns, und ehe die letzte Gruppe die Deckung erreicht hatte, war unser Feldwebel Schleehweiss schwer verwundet, ein Hornist tot und beide Pferde des Hauptmanns and sein Bursche verwundet.
Wie auf dem Exerzierplatz kommandierte unser Führer: "Halblinks marsch marsch - gerade aus !" Als ob nichts geschehen, ging es weiter durch ein Wiesental einen steilen Waldhang hinauf, während rechts von uns andauernd die Schrapnells einschlugen.
Oben angelangt, war der Hauptmann mit einem Unteroffizier vorgekrochen. Bald holte er uns, und mit grossen Zwischenräumen, in der Deckung entwickelt, krochen wir vor.
Auf etwa 1200 m sahen wir drei französische Batterien in der rechten Flanke unseres Regiments stehen. Wie die Wiesel krochen wir in Kartoffel- und Haferfeldern vor, und auf 800 m überschütteten wir die feindliche Artillerie mit einem so wirksamen Feuer, dass wohl die Hälfte der Bedienungsmannschaften in den dahinterliegenden Wald ausriss. Trotz des Ernstes der Sache lachten wir aus vollem Halse und vorwärts ging's in Sprüngen, die wir im Frieden nie so lang und so schnell gemacht hatten.
Da! was war das? Ping ping kam Infanteriefeuer. Wir hatten in einem Gehöft plötzlich den feindlichen Artillerieschutz vor uns. "Halb rechts im Gehöft und in den Gärten Schützen - Visier 400 - Schützenfeuer!" ertönte in bekannter Ruhe die Stimme unseres Hauptmannes. Es entspann sich ein kurzes Feuergefecht, unsere Badener schossen mit glänzender Ruhe und Sicherheit, so dass die Franzosen, einer nach dem anderen, in das Haus sprangen. Nach dem nächsten Sprung - das stets zu hochgehende Feuer wurde schwächer - pflanzten wir ohne Befehl das Seitengewehr auf. "Erst die Fenster unter Feuer nehmen !" Aber es hielt uns nicht, wir gingen durch mit dem Ruf: "Nee, Herr Hauptmann, wir gehen druff!" Unser Hauptmann lachte und sagte: "Na, wenn Ihr nicht anders wollt, dann gehorche ich eben Euch". Mit dem Säbel in der Rechten stürmte er uns dann voran auf das Gehöft los, aus dem jetzt Salven über uns hinwegfegten. Im Nu waren wir dort, die Franzosen rissen teilweise aus, das Gehöft steckten wir an, von dem im Hof von den Franzosen frisch geschlachteten Ochsen schnitten wir uns gute Stücke ab, tranken das Selterwasser aus, das wir auftrieben, erschossen die aus dem Hause springenden versteckt gewesenen Franzosen, denen es jetzt zu warm darin wurde, und gingen dann weiter gegen die immer noch ab und zu schiessenden Batterien vor.
Unser dritter Zug unter dem guten Oberleutnant Peters, der nun leider auch schon gefallen ist, nahm gegen 40 Mann gefangen.
Nur noch 300-400 m trennten uns von den Batterien. Ein kurzes Schnellfeuer, die letzten Bedienungsmannschaften fielen oder rissen aus, und nach kräftigem Hurra waren die 12 Geschütze in unserem Besitz.

 

Die "Liller Kriegszeitung" 1914-1917

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